Adventmail 2010/17 (Namenstage)

Adelheid, es ist so weit“ war der inoffizielle Wahlspruch des preußischen Kürassier-Regiments der Gardes du Corps. Es wurde 1740 von Friedrich II. gegründet. Mit dem Wahlspruch wurde auf ein Zitat des Rittmeisters Achatz von Wacknitz in der Schlacht von Roßbach angespielt, in der die Preußen 1757 im Siebenjährigen Krieg gegen das Kaiserreich Österreich, gegen Frankreich und Russland einen überraschenden Sieg landete. Spöttisch hieß es danach: „Und kömmt der große Friederich und klopft nur auf die Hosen, So läuft die ganze Reichsarmee, noch mehr als die Franzosen.
Über Friedrich ist an anderer Stelle zu lesen: „Der Friederich, der Friederich, Das war ein arger Wüterich“ (1845, Heinrich Hoffmann, „Struwwelpeter“). Erneut ein Menschenalter später sangen die Comedian Harmonists „Veronika, der Lenz ist da“ (1930).
Reime mit Namen haben immer wieder Menschen erfreut (wobei: Bei „Adelheid“ ging es gar nicht um einen Frauennamen, des Rittmeisters Spruch war vielmehr auf den Adel oder auf ritterliche Gesinnung gemünzt).
Auch Ostfriese Otto Waalkes nahm sich Friedrichs in einem Gute-Nacht-Lied an und dichtete: „Das erste Schaf hieß Friederich, das war erschreckend niederich.“ Und weiter: „Das zweite Schaf hieß Dörte, weil es so gerne röhrte, / das dritte Schaf hieß Gunter, wollte nie von Dörte runter…“
Nun ja. Lustiger finde ich Josef Haders „Lied von den Leuten, die nicht ins Kabarett gehen“:
Und die Karin liegt im Bett statt im Kabarett /
und macht durt ganz wunderschene Sochn. /
Sie mocht mitn Koarl an klan Koarl, /
so an Koarl kaun ich ihr ned mochn.

Oder:
„Und die Irmgard, und die Irmgard /
war’ heit do, wenn sie da Franz ned wiargn tat. /
Z’erscht hot er ’tan, wia waun er auf sie fliagn tat, /
und jetzt war’ er froh, waunn sie si wieda riarn tat.“

Weitere Beispiele dieser „Namensdichtung“ kennt jeder von uns. „Wie die Nase eines Mannes … “, „Jetzt kommt Kurt, ohne Helm und ohne Gurt.“
Eher schwarzhumorig sind die Reime nach dem Muster: „Allen steht das Wasser bis zum Hals – nur nicht Rainer, der ist kleiner“ oder „Alle Kinder sitzen ums Lagerfeuer –nur nicht Brigitte, die sitzt in der Mitte.
Habt Ihr das selber auch schon mal versucht für euch selbst oder Leute in eurer Umgebung? Sowas wie: „Der Fabian, der Fabian, der will so gerne Trabi fahr’n.“
Oder: „Die Sitha, die Sitha, hot ein neichn Mieter. / Es ist die Rita, und des is bitter, vü liaber war ihr g’wen der Dieter.“
Und jetzt Ihr: …

Adventmail 2010/14 (Namenstage)

Wie sein Namensvetter Berthold von Regensburg war Bertold von Augsburg, genannt Brecht, ein Volksprediger. Heute soll es aber weniger um das politikpädagogische Epische Theater des großen deutschen Dichters gehen als vielmehr um sein beachtliches lyrisches Werk, das immerhin 2.300 Gedichte, teils in verschiedenen Versionen, umfasst.
Ich greife ein besonders gelungenes heraus, das Gedicht „Erinnerung an die Marie A.“ (www.yolanthe.de/lyrik/brecht03.htm), das auch im wunderbaren, Oscar-prämierten Film „Das Leben der anderen“ (2006) von Florian Henckel von Donnersmarck, des Neffen des Abtes von Heiligenkreuz, eine Rolle spielt: Stasi-Spitzel Gerd Wiesler entwendet seinem Observationsopfer Georg Dreyman einen Brecht-Band und liest auf seinem Sofa liegend für die ZuseherInnen hörbar folgendes:
„…Und über uns im schönen Sommerhimmel /
War eine Wolke, die ich lange sah /
Sie war sehr weiß und ungeheuer oben /
Und als ich aufsah, war sie nimmer da.“

Es geht um die Erinnerung an eine vergangene Liebe, die Brecht in das berühmte Bild von der sich auflösenden weißen Wolke gefasste. Gerd Wiesler wird allmählich von der poetisch-authentischen Welt des Theaterautors Dreyman „infiziert“ und stellt sich innerlich immer mehr gegen das verlogene SED-Regime.
Eigentlich schade, dass kaum mehr jemand Lyrik liest…

Adventmail 2009/20 (Was geschah am … Dezember?)

Den 20. Dezember …
… sollte man in den Mund nehmen, ihn sich auf der Zunge zergehen lassen, bittersüß. Denn da wurde 1924 Friederike Mayröcker geboren. „Der viel erfahrenen, viel erduldenden Dichterin stehen nicht nur höchste Sensibilität und reiche Kenntnisse, ihr stehen Passion und Pathos zu Gebote. Abgesehen von der Meisterschaft, ist ihr Dichten von abgeklärter, heiter-stiller Alterslyrik weit entfernt“, schrieb „Die Zeit“ 2003 über das folgende Gedicht der damals 79-jährigen:

in den Mund diesen Tag in den Mund (nehmen) auf die/
Zunge/
auf der Zunge zergehen lassen diesen Tag: der/
Geschmack bitter. Diese in Mund auf die Zunge/
genommenen Tage alle bitter – aber laut schreiend/
diese Tage laut schreiend daß ich sie wieder ausspucken solle/
daß ich sie wieder ausspucke da spucke ich auch HERZ aus/
Fransen von Herz auch Fasern (zu sehr ins Bild?) alles/
voll Blut Fransen blutrot auf Estrich, ich weiß nicht/
HERZ ausgespeit, spucke mich selbst aus, spucke HERZ aus, /
ROHE VERZWEIFLUNG, schreie brülle möchte/
irgendwohin/
irgendwie weg, auf hohe Bäume Berge Spitzen von Blumen/
Gewölk oder was …

Adventmail 2005/19 (warten)

Warten

Die Nacht ist ein Schnee gefallen
und fällt auch am grauen Morgen noch.
Du hast dich gehüllt so tief
in deinen Mantel aus Schweigen.

Ich hab mein Herz eingezogen
zwischen seine wunden Schultern.
Die Blumen der Sehnsucht,
nun schlafen sie unterm dünnen Eis.

Das klirrt wie Glas mit
zerbrochenen, kleinen Schollen
am windigen Ufer unserer Träume.

Friedrich-Carl Dieskau