„One to One: John & Yoko“ (Kevin Macdonald and Sam Rice-Edwards, US/GB 2024) ******

Für Beatles-Fans wie mich ein Must: „One to One: John & Yoko“ zeichnet die bewegte Ära Anfang der 1970er-Jahre nach, als der frisch von den Fab Four getrennte Lennon und seine Frau Yoko Ono in einem bescheidenen Apartment in Greenwich Village (NY) lebten. Kevin Macdonald und Sam Rice-Edwards montieren für ihre Doku-Collage verschiedenste Bild- und auch Tonaufnahmen (die Sean Lennon Ono zur Verfügung stellte) zu einem bunten Zeitkolorit: mit Konzertausschnitten der Plastic Ono Band, Interviews des berühmten Paares im TV u.a. bei Johnny Carsons Tonight Show, mit Szenen aus der US-amerikanischen Politik und dem damals wütenden Vietnam-Krieg, Auftritten von Gegenkultur-Größen wie Alan Ginsberg, Jerry Rubin oder A. J. Weberman, Kurzszenen aus Serien wie den Waltons – oder einfach mit Werbejingles, die John Lennon damals wohl auch regelmäßig sah. Denn das Fernsehen betrachtete er als Ersatz für das Kaminfeuer vergangener Tage und nutzte es intensiv. Die Regie konzipierte den Film so, als würde man ständig durch das US-TV-Programm der damaligen Zeit zappen.
Beeindruckend, wie politisch aktiv Lennon und Ono waren: Sie ergriffen das Wort und die Gitarre für einen wegen Marihuana-Besitzes zu zehn Jahren Haft verurteilten Dichter und gaben titelgebende „One to One“-Konzerte für unterversorgte, weggesperrte behinderte Kinder. „Yoko und ich versuchen, die Jugend aus ihrer Teilnahmslosigkeit zu reißen. Wir müssen ihnen den Glauben daran zurückgeben, dass wir etwas verändern können“, nahm Lennon in einem Interview Bezug auf die enttäuschend zu Ende gegangene Flower-Power-Bewegung der Hippie-Zeit.
Deutlich an Kontur gewann für mich die feministische Avantgarde-Künstlerin an Johns Seite. Ich gebe zu: Auch ich mochte die jahrelang gedisste, nervend schrill singende Yoko Ono (die, wie die Doku „Get Back“ zeigt, in den Abbey Road Studios an Johns Seite klebte) wegen ihres vermeintlichen Beitrags zum Zerfall der Beatles nicht, weiß es inzwischen aber besser. Die vier – und vor allem Lennon und Paul McCartney – hatten sich einfach auseinandergelebt, und alle Bandmitglieder, vor allem George Harrison und Ringo Starr, starteten gleich nach der Trennung höchst erfolgreiche Solo-Karrieren.
Wie kreativ auch John Lennon in dieser Zeit war, zeigen auch seine in der Doku plausibel mit Außeneinflüssen verwobenen Kompositionen: seine „Urschrei“-Therapie zeigt sich in „Mother“, zu hören sind die Demo-tauglichen „Give Peace a Chance“ und „Power to the People“, das visionäre „Imagine“ oder das einen Drogenentzug (der sonst in der Doku kein Thema ist) reflektierende „Cold Turkey“. Und diese Stimme – was für ein großartiger Musiker John Lennon doch war!
Ein Kuriosum schildert der Berliner „Tagesspiegel“ in seiner Rezension: Einmal versucht John Lennon einen Musikjournalisten telefonisch zu erreichen und gerät an dessen Sekretärin. Er bittet um einen Rückruf und buchstabiert seinen Namen: „L-E-N-N-O-N“. „Oh, Sie gehören zu den Beatles?“, fragt die Sekretärin. Lennons Antwort: „Ja, das ist korrekt.“ Er war nach Amerika gekommen, um seine Vergangenheit hinter sich zu lassen. Doch den Beatles ist John Lennon bis zu seinem Tod nicht entkommen…

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