„Ich hielt immer kritische Distanz zu Gottes Bodenpersonal“

Wer mehr als drei Jahrzehnte bei einem katholischen Medium arbeitet, hat jede Menge kirchlicher Zeitgeschichte aus nächster Nähe erlebt… Robert Mitscha-Eibl gibt im Selbstinterview authentischst Auskunft

Wien, 16.01.2025 (KAP) Kathpress: Wer mehr als drei Jahrzehnte bei einem katholischen Medium arbeitet, hat jede Menge kirchlicher Zeitgeschichte aus der Nähe erlebt. Was waren denn deine persönlichen Highlights und Tiefpunkte als Kathpress-Redakteur?
RME: Es begann gleich mit einer Reihe von Tiefpunkten der österreichischen Nachkriegskirchengeschichte: Bischof Kurt Krenn – vor seiner Weihe im Stephansdom war ich damals bei der KJÖ Beschäftigter einer der Demonstranten, die sich ihm in den Weg legten – sorgte mit markigen Sprüchen immer wieder für Aufregung, z.B. als er eine Art Missio Canonica für Religionsjournalisten forderte. Und im Frühjahr 1995 brach die Causa Groer los, in der anfangs auch Bischöfe wie Schönborn oder Krätzl äußerst unglücklich agierten. Die Missbrauchsskandale danach waren ein weiterer Tiefschlag, auch wenn die Kirchenleitung in Österreich dann ab 2010 tadellos darauf reagierte.
Kathpress: Und die Highlights?
Nun ja, viele Begegnungen mit charismatischen Persönlichkeiten wie dem haitianischen Bischof Willy Romelus, Chiara Lubich oder Erwin Kräutler, Interviews mit Sympathlern wie Hubert von Goisern oder Michael Köhlmeier, das freundschaftlich gewordene Verhältnis zu Paul Zulehner und die Teilnahme an Kathpress-Reisen in den Irak, nach Rumänien oder in die Schweiz.
Gern denke ich auch an die Wahl von Jorge Mario Bergoglio zurück, die ich im Konferenzzimmer der Kathpress am TV-Bildschirm gemeinsam mit Bischof Kapellari mitverfolgte und über seine ersten Worte als Papst „Buona sera“ schmunzelte.
Kathpress: Du kommst doch als gebürtiger Obersteirer aus einem recht unkirchlichen Milieu. Wie kam es dazu, dass du zum Lohnschreiber der Kirche wurdest?
RME: Stimmt, da, wo ich herkomme, ging man als Jugendlicher eher zur SJ – so wie meine Schwester – als zur Jungschar. Für mein Umfeld war es schon überraschend, dass ich neben Germanistik auch Theologie studierte, verbunden mit dem Berufswunsch Religionslehrer. Allerdings stellte sich nach drei Jahren in der Schule heraus, dass ich beim Schreiben besser aufgehoben bin als beim Reden. Über das Standbein Öffentlichkeitsarbeit, das ich auch während der Unterrichtstätigkeit bei der Katholischen Jugend Österreichs behielt, landete ich bei der Katholischen Medienakademie und in meinem ersten Praktikum bei der Kathpress. Der dortige Chef Erich Leitenberger bot mir eine Stelle an – trotz der Bedenken wegen meiner vorangegangenen Mitarbeit bei „Kirche In(tern)“. Als junger, feministisch infizierter Familienvater werkte ich erst 30 Wochenstunden, ab meinem 40er dann in Vollzeit.
Kathpress: Mit Erich Leitenberger war dein Verhältnis ja nicht immer friktionsfrei…
RME: Stimmt. Anfangs höflich distanziert, ich litt unter seinem mich demotivierenden Führungsstil: wenig Kommunikation mit der Redaktion – anrufende Journalisten bekamen News viel eher mit als seine eigenen Mitarbeiter; viele „leere Kilometer“ durch Artikel, die ungelesen auf dem Hocker des Chefs verendeten. Und später, als ich Betriebsrat im Hinblick auf den absehbaren Chefredakteurswechsel wurde, gab’s einmal einen Eklat, als Leitenberger die da schon abwesende Sekretärin Gertrude Kaufmann unflätig wegen ihres Heimgehens beschimpfte. Sie hatte davor bis weit über ihren Dienstschluss hinaus aufs „Kleben“ des Tagesdienstes gewartet, während der Chef im Hof mit viel wichtigeren Personen plauderte. Es kam immer wieder vor, dass die Kaufmann nicht wusste, wann ihr Arbeitstag endet, und ich hatte sie an diesem Tag ermutigt, einfach zu gehen und den Tagesdienst – was öfters vorkam – erst am nächsten Morgen zu kleben.
Ich zolle „LEI“ viel Respekt für sein journalistisches Know-how, sein umfangreiches Wissen und seine Loyalität gegenüber sehr unterschiedlichen Bischöfen; aber als Chef war er für mich ein Hemmschuh. Unter einem Teamplayer wie Paul Wuthe konnte und kann ich mich viel mehr entfalten, ich genoss sein Vertrauen in die Eigenverantwortung seiner Leute und hatte ganz einfach viel mehr Freude an der Arbeit.
Kathpress: Wobei die Stimmung und der Zusammenhalt unter den Kollegen – wie es hieß – eigentlich immer gut war, oder?
RME: Absolut. Zu Beginn hab ich von Peter Musyl und auch von Andi Dobersberger, der Komplexes immer sehr gut verständlich vermitteln konnte, viel gelernt. Es waren immer hochkompetente, nie engstirnige und – was ich sehr schätze – auch sehr humorvolle Kollegen (Kolleginnen gab’s erst später) im Team. Es ist oft der „Schmäh g’rennt“ und tut das ja auch heute noch, siehe die oft kabarettistisch anmutenden Teams- und Whats-App-Chats. Besonders erwähnen möchte ich auch noch die regelmäßigen Fußball-Matches zwischen „Partizan Kathpress“ und „Lokomotive Luther“, die immer viel Spaß machen.

Bei einem der vielen „Kathkicks“ – Schusshaltung allerdings nicht optimal

Kathpress: Apropos Spaß: Es geht das Gerücht, dass dein Hang zur Satire dir beim Theologiestudium in Graz fast zum Verhängnis geworden wäre.
RME: „Verhängnis“ ist wohl zu dramatisch. Aber ja, es stimmt: Ich studierte kombinierte Religionspädagogik und Germanistik in Graz und sorgte bei Laientheologenfesten mit Reimen wie „Als Jesus nach Judäa kam,/ da wurden Blinde taub und lahm“ oder „Kaum war Zacharias blind,/ bekam Elisabeth ein Kind“ immer wieder für humoristische Einlagen. Einmal gab’s ein richtiges Kabarettprogramm, in dem ich u.a. als klerikaler Sonntagsprediger auftrat. Obwohl offenbar selbst verklemmt, ermunterte ich mein Publikum, sich als Glieder der Kirche ganz der Welt zu öffnen, ungeniert auf die Menschen zuzugehen – und bei all dem hatte ich sichtbar für alle meinen Hosenstall geöffnet und gewährte Einblick auf meine weiße Unterwäsche. Die jungen Theologinnen und Theologen bogen sich vor Lachen, aber die Verantwortlichen – das Fest fand im katholischen Münzgrabenheim statt – waren not amused. KHG-Chef Schnuderl, Generalvikar Städtler und auch Bischof Weber, der von einem Mix aus Obszönität und Blasphemie sprach, stellten den Kabarettist:innen in Aussicht, sie würden keine kirchliche Anstellung bekommen.
Doch das Ganze beruhigte sich wieder, und ich entzog mich allen hochnotpeinlichen Folgen dann ja durch „Flucht“ nach Wien. Was aber nichts mehr mit dem Skandalkabarett zu tun hatte, sondern mit meiner in Wien lebenden Freundin und einem von Herbert Beiglböck angebotenen Zivildienstjob bei der KJÖ.Kathpress: Aber „Glieder der Kirche“ mit Unterleiblichkeit zu verknüpfen – hat das nicht wirklich etwas Blasphemisches?
RME: Ach was. Ich berufe mich da aufs Konzil, das ja auch dafür steht, sich der Welt zu öffnen und dafür ein eigenes Dokument – „Gaudium et Spaß“ – veröffentlichte … war ein Scherz.

Das Bild täuscht. Fad war’s in der Redaktion selten.

Kathpress: Zuletzt noch die Gretchenfrage: Wie hältst du’s mit der Religion?
RME: Also der Jesus hat mir immer schon getaugt. Die wechselseitige Sympathie hat sich während des Theologiestudiums in Graz noch vertieft, durch mein Engagement bei den Laientheolog:innen und meine Präsenz in der KHG war das meine wohl frömmste Zeit mit auch mystischen Erlebnissen. Allerdings war ich nie ein „Hundertprozentiger“, Zweifel gehört für mich zum Glauben dazu, und Dogmen wie die formelhaft ausgefeilte Trinität, Marias immerwährende Jungfräulichkeit oder die „Verwandlung“ von Brot in den Leib Christi mittels Hokuspokus (lat. Hoc est Corpus) leuchten mir nicht wirklich ein. Aber ich denke nicht, dass mir Gott oder die Göttin das übel nimmt, wenn er/sie mich wie ein Elternteil seinen Sohn liebt. Und davon gehe ich aus, bin überzeugt, dass das eine tragfähigere Lebensgrundlage ist als Agnostizismus oder auch bloßer Humanismus.
Dieser mein andere Sichtweisen respektierender und wenig missionarisch ausgerichteter Glaube ist durch Krisen oder Skandale in der Kirche nicht erschütterbar. Auf Gottes „Bodenpersonal“ hatte ich immer einen recht kritisch-distanzierten Blick. Was ja nicht das Schlechteste für einen Agenturjournalisten ist.

Ein Gedanke zu „„Ich hielt immer kritische Distanz zu Gottes Bodenpersonal“

  1. Der obige Text entstammt einer humorvoll ausgerichteten Kathpress-Sonderausgabe, die ich zu meinem Abschiedsfest in der Redaktion am 16. Jänner 2025 an meine dann schon ehemaligen Kolleg:innen übermittelte.

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