Adventmail 2013/14 (Advent-Jukebox)

CLAUDIA, Versicherungskauffrau und Liebste, Wien
1986, Hamburg; ich habe im Jänner Wien verlassen, meine Familie, Freunde und meinen Job. Mein damaliger Freund hatte bald Arbeit, ich nicht. Österreich war noch nicht bei der EU, deshalb keine Arbeitsgenehmigung. Kontakt nach Österreich hatte ich per Brief und mittels gelegentlicher kurz gehaltener Telefonanrufe. Mein Freund war unterwegs, viel und weit: Indien, Java, Ceylon, Kamerun, Tansania. Es war nicht immer möglich zu telefonieren, zu viele technische Probleme. Dann meldete sich manchmal der „Operator“: We have a power breakdown, there is no connection, please try it again later…..
Ich hatte Schwarzweiß Fernsehen und Radio – und ein Lied, das das Gefühl des Alleinseins in der Fremde sehr gut beschrieb…

Rah Band: „Clouds across the moon“ (1985), www.youtube.com/watch?v=2cXqHWur5Uk&noredirect=1

Adventmail 2013/13 (Advent-Jukebox)

ELISABETH, Psychotherapeutin und Studienkollegin, Wien
Vor circa 15 Jahren: Havanna-Club im ersten Bezirk, kleine Tanzfläche. Ich (noch jünger!) mitten im Tanzgewühl, genieße die Rhythmen, das feurige Spanisch, die runden Hüftbewegungen usw. Salsa-Rhythmen befördern mich in 2 Sekunden auf eine andere Ebene, lassen mich vibrieren, genießen und im Moment sein! Hier einer der Klassiker aus der Zeit: www.youtube.com/watch?v=MQbrq3c3Qr8. (tolle klassische Salsa Melodie mit eigentlich traurigem Text von Hector Lavoe)
Vor 10 Jahren: Ich gehe trotz unseres zweijährigen Sohnes regelmäßig mindestens einmal in der Woche Salsa tanzen, mein damaliger Lebenspartner und ich besuchen Tanzworkshops und sogenannte „Salsa-Kongresse“ – ja, auch das gibt’s! Das Tanzen verbindet uns und gibt unserer Beziehung Leichtigkeit und Würze! Ein Hit aus dieser Zeit: www.youtube.com/watch?v=Kiv53D2Z_CQ&noredirect=1 (bedeutend cooler als der vorige).
Jetzt 2013: Meine beiden (nicht vom Tanzen!) abgenützten Hüften sind inzwischen aus Titan, in der tanzfreien Zeit bin ich auf Congas umgestiegen. Der Rhythmus hat mich eben nicht losgelassen ! Viel zu selten gehe ich tanzen, zum Beispiel montags in die Salsabar, im Albert-Schweizer Haus. Und für graue Dezembertage gibt’s das Wiener Salsaradio!! Lasst Euch beschwingen!

Adventmail 2013/12 (Advent-Jukebox)

HENNING, Redakteur, Arbeitskollege, Maria Anzbach:
Seit 10 Jahren lebe ich mittlerweile in Österreich. Eine wertvolle kulturelle „Integrationsstütze“ war mir seither (aber auch schon zuvor, zugegeben…) Hubert von Goisern, den man – neben der unausweichlichen „Christel“ auch in Deutschland kennt… Über ihn „gestolpert“ bin ich allerdings nicht zu Alpinkatzen-Zeiten, sondern erst bei seinem grandiosen Comeback-Album „Fön“, das mittlerweile auch schon 13 Jahre auf dem Buckel hat. Diese Art „Alpen-Sting“ hat mich fasziniert…
Besonders berührt haben mich von dem Album zwei Titel – beides eher langsame Stücke. Zum einen das melancholische, bestens zur kalten Adventszeit passende „spat“ (www.youtube.com/watch?v=q_TOMqF8TWw). Die Jodlerei am Beginn ist für einen „Norddeutschen“ zugegeben zunächst „hart“, aber man muss durchhalten bis zum Mittelteil: Dann nämlich – für die „Quintzirkler“ unter euch – kippt der Song von e-moll in ein E-Dur mit einigen großen Septimen in der Folge, die einen zum Heulen schönen Melodiebogen ergeben… Ganz nüchtern betrachtet…
Und besondere „familiäre Bande“ gibt es zum letzten Stück auf der CD – „fia di“ (www.youtube.com/watch?v=YigL90aHTdw). Auch dieses kommt eigentlich recht „klassisch“ und fast kindlich in der Melodieführung und Begleitung daher, hat aber einige sehr schöne Gitarrenriffs – und einen ebenso schönen Text. „Familiär“ ist das Lied deshalb wichtig für mich, weil wir es bei den Taufen unserer Kinder jeweils live „performed“ (sprich: gesungen und „gitarriert“) haben. Das war immer ein sehr schöner, stimmiger Moment.

Hubert von Goisern: „spat“ und „fia di“

Adventmail 2013/11 (Advent-Jukebox)

INES, Ethnologin bei „Voluntaris“-Freiwilligendienste und autofreie Nachbarin
Al Jarreau: einer der größten und charismatischsten Stimmkünstler, meiner Meinung nach! Ich habe ihn kennengelernt vor etwas mehr als 20 Jahren im dunkelroten Opel Kadett eines Freundes, dessen Auto-Stereoanlage ungefähr den dreifachen Wert des Fahrgestells besaß, in das sie eingebaut war. Klare Schaffung von Wertigkeiten … und ein Glück für mich – wahrscheinlich ist mir vor allem deshalb die Bedeutung des mir davor unbekannten Künstlers klar geworden (!?)
Beim Jazzfest 1993 in der Wiener Staatsoper der erste Live-Auftritt Al Jarreaus, bei dem ich dabei war. Eines der prächtigsten Konzerte, das ich überhaupt jemals gesehen habe! Ich verstehe bis heute nicht, wie man den Übergang zwischen „sprechen“ und „singen“ dermaßen unkenntlich machen kann. Es hat definitiv meine Bewunderung für Al gefestigt.
Am 29. Oktober.2012 gastierte ein sichtlich gealterter Al Jarreau im Wiener Konzerthaus. Das Konzert hatte „Wohnzimmercharakter“ – mit Gehstock, tief in die Stirn gezogenem Hut und (zu 80 Prozent) mit dem Rücken zum Publikum unterhielt Al sich blendend mit seinen Musiker-Kollegen auf der Bühne. Wir interessierten ihn kaum … nach wie vor ein Hörgenuss mit derselben Stimme wie vor (oder mit?) 20 Jahren! Dieses Jahr steht – wie ich auf seiner Homepage lese – Tokio am Programm … vielleicht auch noch einmal Wien???
Zum Reinhören ein Videoclip von seinem Auftritt beim Jazzfest Wien 2011, bei dem ich nicht dabei sein konnte – aber mit meinem Lieblingstitel.

Al Jarreau: „Spain“, www.youtube.com/watch?v=kWpre_VWXPg

Adventmail 2013/10 (Advent-Jukebox)

CLAUDIA, Ärztin und Mitwanderin im Hohen Atlas, Köln
Ich habe lange überlegt: Welchen Beitrag schicke ich Dir? Am Anfang war alles klar: Joni Mitchell, „Both sides now“. Aber dann kamen Zweifel. Ist es nicht doch besser, die Toten Hosen zu wählen, mit „Wenn ein Herz brennt“ oder „Draußen vor der Tür“?
Bin bei Joni Mitchell geblieben. Zum einen, glaube ich, hat diese Frau einen megakünstlerischen Fortschritt geleistet damals von Woodstock, was ich natürlich auch nur von späteren Berichten mitbekommen habe. Und dann: Ich weiß nicht, wie oft ich dieses Lied gehört habe abends in meiner Bude in Bonn mit meinem Balkon mit Blick über die Dächer der Stadt, frustriert, weil ich mich als „Ossi“ so unverstanden gefühlt und nachgedacht habe, wo soll es mit mir hingehen, weil ich Liebeskummer hatte oder einfach nur am nächsten Tag eine meiner vielen Prüfungen. Und nachdem ich „Both sides now“ gehört hatte, wurde ich ruhiger, und wie vom Himmel herbeigerufen kamen auch neue Überlegungen und Auswege. Dieses Lied hat mich schon oft abends begleitet.

Joni Mitchell: „Both sides now“,
www.youtube.com/watch?v=zIYu4EHq0Lo&feature=em-share_video_user&noredirect=1

Adventmail 2013/09 (Advent-Jukebox)

ROBERT, Redakteur und Adventmailgestalter, Wien
„Keine Ahnung, wann ich diesem Song zum ersten Mal begegnete. Aber ich weiß noch sehr gut, wann ich ihn immer wieder hörte, immer wieder dieses wehmütige „And no more shall we part“. Es ist schon Jahre her, und ich stand in einer akuten Trennungssituation, die mir zusetzte und mich so fühlen ließ, als wäre ich ein Fremder im eigenen Haus. Da kamen mir Zeilen wie „And no more shall we part/ It will no longer be necessary/ And no more will I say, dear heart/ I am alone and she has left me“ gerade recht.
Dabei ist dieses Lied, gesungen von Nick Cave, der zwei Jahre und vier Tage vor mir auf die Welt kam, gar nicht optimistisch. Auch wenn „And never again will my letters start sadly, or in the depths of winter“ so klingen mag. Aber dieser australische Nick, dessen Name „Höhle“ oder auch „Zelle“ bedeutet und auf Latein „Hüte dich!“, singt das und die anderen Strophen mit so viel Schmerz, Traurigkeit, auch Nachdenklichkeit und müder Anstrengung, dass dabei keiner an eine überwundene Krise denken mag. Und dazu ein Klavier, das einen Trauerzug zu begleiten scheint. Mir kamen jedenfalls die Tränen, damals. „Lord, stay by me/ Don’t go down…“
Heute denke ich mir beim Wiederhören, dass Wunden der Vergangenheit in einem/r bleiben, dass sich aber Jahresringe darüberlegen. Die halten alles zusammen, das Glück und das Leid, und Zeilen wie „And all of the birds will sing to your beautiful heart/ Upon the bough“ treffen dann auf eine andere, stärkere Rinde/Haut, begleiten eine neue Lebensphase. „All the hatchets have been buried now“ – All die Kriegsbeile sind jetzt begraben.
Übrigens: Litte ich heute noch unter Liebeskummer, würde ich wohl James Blake hören, ‚Limit to your love‘ (www.youtube.com/watch?v=oOT2-OTebx0) oder ‚Retrograde‘.
(www.youtube.com/watch?v=6p6PcFFUm5I&noredirect=1). Seelenpein kann schon verdammt schöne Sachen hervorbringen, findet ihr nicht?“

Nick Cave, And no more shall we part, https://www.youtube.com/watch?v=NZlpbVu6S_k

Adventmail 2013/08 (Advent-Jukebox)

MICHAELA, wiss. Mitarbeiterin der FH St. Pölten (Soziale Arbeit), Aktivistin der Armutskonferenz, Wien:
„Memory of the Future.“ Ein Liebeslied. Natürlich. Aber eines, dessen Botschaft weit über das Feld individueller Zweier-Beziehungen hinausgeht. Für mich jedenfalls.
Ein Lied, das von Erinnerungen an etwas erzählt, das noch gar nicht stattgefunden hat. Das dazu anregt, den eigenen Sehnsüchten und Lebensträumen zu folgen, ja mehr noch, sie sich in allen Einzelheiten „auszumalen“, sich vorzustellen, und auch schon davon zu erzählen, wie es ist, wie es sich anfühlt, wie es schmeckt, wenn wahr wird bzw. geworden ist, was eine/r sich schon lang erträumt hat.
Und nicht nur das.
So eine „Erinnerung an die Zukunft“ hilft auch bei zu erwartenden schwierigen Ereignissen. Es hilft – mir jedenfalls – sich vorzustellen, wie man „später einmal“ davon erzählen wird; von dieser ereignisreichen Zeit, von den unglaublichen Problemen, von der Krisenstimmung – und wie man sie bewältigt hat; darüber, wie sich die Hindernisse, die da waren, überwinden ließen, wie sich die Beharrlichkeit bewährt hat, wie am Ende, dann doch alles gut geworden ist.
Self-fullfilling prophecy. Die positive Variante!
Ich mag dieses Spiel mit Zeiten, Wünschen, Träumen.
Ich mag die mitschwingende Nicht-Akzeptanz des scheinbar Nicht-Realisierbaren und Unrealistischem.
Ich mag die Beharrlichkeit und die Romantik.
Und die Art, wie die Pet Shop Boys intelligente Gedanken mit eingängigen Beats verbinden, die mag ich sowieso – nicht nur an diesem Song.
Und so ist “Memory of the Future” nicht nur einer meiner absoluten Lieblingssongs, es ist auch ein Song, der für mich perfekt zum heutigen 8. Dezember passt. Zum Fest der unbefleckten Empfängnis Marias, der schon vor ihrer Geburt ein ganz spezieller Gnadenstand zuteilwird, als wäre – wem auch immer? – schon von vorherein klar, was sich da in ihrem später ereignisreichen Leben noch so abspielen sollte – mit diesem Sohn! „Memories of the Future“ eben – Maria hatte wohl so einige davon.

The Pet Shop Boys: Memory of the Future, https://www.youtube.com/watch?v=Qfkpcn3-1I0&noredirect=1

Adventmail 2013/07 (Advent-Jukebox)

ANDREAS, Arbeitsmarktbeleber (=BBRZ-Regionalleiter) und Bruder, Graz:
Kapfenberg 1986: In der Billigschütte des Coop werden Singles verkauft, mir fällt ein wunderschönes Cover auf. Zehn Schilling für „William, it was really nothing“ von den Smiths. Sehr gut investiertes Geld – aber die Offenbarung wartet auf der B-Seite. “ …Please, please, please let me get what I want, Lord knows it will be the first time …“
Der Lebensabschnittssong für einen stets unglücklich verliebten Postpubertierenden, der es nicht mehr erwarten kann, nach der Matura den ersten Zug aus der Provinz in die große Stadt zu nehmen, war gefunden. Und heute noch muss ich jedes Mal, wenn ich den Song höre, an mein bepostertes Jugendzimmer in Kapfenberg denken …
Danke, Morrissey, für den Funken Hoffnung, den ich da in Liedform von dir zur richtigen Zeit erhalten habe …

The Smiths: „Please, please, please let me get what I want“, www.youtube.com/watch?v=GiqOsKngc-c&noredirect=1

Adventmail 2013/06 (Advent-Jukebox)

DORIS, Redakteurin bei „Furche“, Wien:
Habe unlängst beim Kochen auf Ö1 eine Sendung über eine aus Australien stammende und nun in Berlin lebende Singer-Songwriterin gehört, den Namen en passant notiert, auf YouTube diesen grandiosen Song gefunden – aber im CD-Geschäft (ja, ich kaufe wirklich noch CDs!!!) gemerkt, dass ich den Namens-Zettel vergessen habe. Natürlich kennt keiner eine aus Australien stammende und nun in Berlin….. egal.
Am nächsten Tag zettelbewehrt der zweite Versuch – und CD natürlich nicht lagernd. Das heißt bestellen, eine Woche später wiederkommen, glücksstrahlend kaufen – und daheim beim Anhören zerknirscht merken, dass der glorreiche Song natürlich nicht auf der Scheibe ist, die man gerade in unendlich altmuttrischer Manier ganz real und um ein Schweinegeld erstanden hat („Please Don’t Give Me What I Want“).
Also doch das entsprechende, ältere Album („The Dance of a Stranger Heart“) via iTunes runterladen und sich dabei fluchend fast einen Herzinfarkt holen, weil man wieder mal das Kennwort der Apple ID vergessen hat (Wer merkt sich eigentlich all diese Scheiß-Kennwörter????).
Schließlich euphorisch reinhören – und entsetzt realisieren, dass die straighte Studio-Version nicht annähernd den Charme der verwackelten Live-Variante auf dem Bardentreffen in Nürnberg 2012 versprüht. Vom entzückenden, anfänglichen Text-Aussetzer nicht zu reden 😉
Deshalb: Einfach hier anschauen, zuhören – und gepflegt schwach werden…

Kat Frankie: „Love Me“, www.youtube.com/watch?v=QbJD19-vgBU

Adventmail 2013/05 (Advent-Jukebox)

HEINRICH, Architekt bei www.atos.at, langjähriger Freund, Wien
Es gibt nur ein Musikstück, das, wann immer ich es höre, mich zum Heulen bringt. Es beschreibt einen Menschen, den ich genau so erlebt habe, wie er da besungen wird. Er war für meine Sicht der Dinge und des Lebens prägend, mit seiner Ruhe, seiner Gelassenheit, seiner immerwährenden Zuversicht, seinem Humor, seiner Liebe. Er war der Vater, den ich nicht hatte.
Unvergessen seine Geschichte, als er Kompaniekoch im Russlandfeldzug war und sein Küchenjunge den Kochtopf mit den Resten des Kaiserschmarrens nicht ordentlich reinigte. Am nächsten Tag gab es Sauerkraut ungewöhnlicherweise mit Rosinen, was allerdings sehr gut ankam. Viel mehr war von dieser schrecklichen Zeit von ihm nicht zu hören.
Er hat mir sein Auto geborgt, als ich Führerscheinneuling war, war für mich da, als es mir schlecht ging, hat mich aufgenommen, als ich nicht wusste wohin, hat mich als Kind in seinem großen Lastwagen mit den hölzernen Fässern mitgenommen, hat mich ins Spital gebracht, als ich mir den Sattel seines Waffenrades in den Schenkel gerammt hatte.
Es sind nur Sternschnuppen an Erinnerungen, aber das Gefühl, dass es möglich ist, ein liebevolles Leben zu führen, ist geblieben.

STS – Großvater, www.youtube.com/watch?v=jjaDvS5fQQI