GREGOR, Mathematikstudent, Sohn, Wien:
Mein Lied ist „Coming Up Roses“ von Elliott Smith, und die Geschichte, die ich dazu erzählen will, handelt davon, wie ich die Liebe meines Lebens kennenlernte.
Es war Oktober 2010. Carmen sah ich zum ersten Mal auf der TU, Fachschaft Mathematik. Sie war im ersten Semester, ich im siebten. Ich hatte damals Zweifel, ob ich überhaupt jemals mein Studium beenden würde – auf den Bachelor (Mindestzeit: 6 Semester) fehlten mir noch mehr als die Hälfte der ECTS-Punkte. Ich war außerdem in einem Motivationsloch, arbeitete drei Tage die Woche als Fahrradbote und kam neben Party machen und Bier trinken wenig zum Studieren. Als ich Carmen davon erzählte, wettete sie mit mir um eine Kiste Bier, dass ich bis Ende des Sommersemesters nicht alle fehlenden Prüfungen schaffen würde.
Die erste Strophe beschreibt ein bisschen meine damalige Verfassung:
I’m a junkyard
full of false starts,
and I don’t need your permission
to bury my love
under this bare
light bulb.
Carmen hatte mich in der „wildesten“ Phase meines Lebens kennengelernt. Ich befand mich in den Nachwehen einer ziemlich katastrophalen unglücklichen Liebe, war im Juni aus meiner WG geflogen und hatte im Sommer vorübergehend wieder in Korneuburg gelebt. Um die verloren gegangene Wärme in meinem Liebesleben zu ersetzen, traf ich mich an den meisten Tagen mit Freunden zum Fortgehen und war bei jeder Party dabei. An guten Abenden fühlte ich mich wie der König der Nacht (oder zumindest der coolste Typ von Wien), und an schlechten saß ich zwischen Bierdosen in meiner neuen WG und spielte Online-Games auf Facebook.
Elliott Smith war mein Begleiter und Trostspender. (Soundtrack: „Miss
Misery“, http://www.youtube.com/watch?v=h7MizF_OEH8)
Gegen Ende des Jahres wurden die Nächte kälter und ich unglücklicher. Ich hatte es geschafft, die Geschichte mit meiner Ex-Freundin (nennen wir sie „Veri“) nochmal halb aufzuwärmen, was alles nur schlimmer machte, und Carmen hatte ich nur mehr ein, zwei Mal auf der Uni gesehen. Kurz vor Weihnachten fasste ich mir ein Herz und schrieb sie auf Facebook an: ob sie sich in den Ferien mal treffen wolle? Sie war aber nicht in Wien.
Am 26. Dezember erzählte ich Veri von Carmen: Ich hätte ein Mädchen auf der Uni kennengelernt, das mir gefällt. Sie fragte mich, wieso ich mich überhaupt noch mit ihr traf. An diesem Abend, der ein langer war, kamen wir überein, uns nicht mehr zu sehen.
Der endgültige Abschied tat mir gut. Carmen ließ noch auf sich warten, hatte aber immerhin schon mein Leben positiv beeinflusst. Ich begann wieder was für die Uni zu tun. In den Semesterferien wurde ich auch aus meiner zweiten WG geworfen, und überzeugte meinen Bruder, mit mir zusammenzuziehen. Zu der Zeit wieder war ich fast täglich mit meinem besten Freund, Michi, im Lernraum des AKH anzutreffen. Wir lernten und spielten Schach bis spät in den Abend und gingen nachher noch was trinken. Mir verblieben mit Beginn des Semesters noch 18 Wochen, um die für meine Wette fehlenden 18 Prüfungen zu schaffen. Jede Woche eine Prüfung, 4 Monate lang! Undenkbar.
Einmal traf ich im AKH zufällig wieder Carmen. Das Lied hat mir damals ein anderer Freund vorgespielt (Elliott Smith war in meinem Freundeskreis ziemlich beliebt), und es hat wohl perfekt gepasst:
You’re coming up roses,
everywhere you go
red roses
follow
Diese Zeilen erinnern mich heute noch an diese Zeit, Februar 2011, und an das Gefühl, dass mein Leben langsam wieder in die Gänge kommt. Das mit Carmen sollte aber noch etwas dauern…
Mitte April: Mein bester Freund gestand mir, dass er sich schon seit längerem in Veri verliebt hatte (und sie auch in ihn). Autsch! Ich hörte weiter viel Elliott Smith und wahrte die Hoffnung. Immerhin, die ersten paar Prüfungen hatte ich geschafft.
Nur zwei Wochen später, 6. Mai, der große Tag: Am Mathefest wollte ich Carmen erobern. Als ich dort ankam, hatte ich schon 9 Bier intus und traf sie gleich wieder. Wir bandelten an, indem wir erst mal eine Runde Schach spielten. Ein paar Tage danach küssten wir uns zum ersten Mal, im Mondschein am Brunnen vor der Karlskirche. Happy End! Zwei Monate später waren wir zusammen, und sie schuldete mir eine Kiste Bier
Elliot Smith, „Coming Up Roses“: www.youtube.com/watch?v=c4UL7fXSzk8
Es ist 2025, als ich diesen alle Vorgaben sprengenden Text wieder lese. Und so wie bei der Hochzeit von Gregor und Carmen, als ich ihn vor der Feierrunde vorlas, bin ich zu Tränen gerührt über diesen ungeschönten Blick in die Untiefen im Leben meines Ältesten und die Kraft der Liebe, die ihn da wieder rausholte.