Die Ankündigung war unvollständig: Das Konzert des Ensembles mit ca. 25 Kammermusikern und Solisten unter der Leitung von Primgeiger Fritz Kircher begann mit Joseph Haydns Symphonie Nr. 74 in Es-Dur, erst danach mit der Symphonie g-Moll (KV 550) ein Hit von Mozart. Dann Pause bzw. Arbeitstag-Ende für die Bläser, die Streicher plus ein Mensch am Cembalo fidelten sich dann durch die Vier Jahreszeiten – ein Vivaldi-Evergreen, der zurecht als eines der Highlights der Barockmusik gilt. Kircher drückte dabei ziemlich aufs Tempo (wollte er seine Virtuosität beweisen? Zur ZIB2 zuhause sein?), live ist das vierteilige Werk jedenfalls beeindruckend, erst recht, wenn man dank eines Wien-Ticket-Geschenks der Ex-Arbeitskollegen in Reihe 8 sitzen darf.
Zum Ende viel Applaus. „In Wien wird so lange geklatscht, bis es eine Zugabe gilt“, merkte Kircher erläuternd an. Im prächtigen Brahms-Saal des Musikvereins viele Touristen, darunter viele Ostasiat:innen, für die Klassische Musik offenbar zu einem Wien-Besuch dazugehört.
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Ö1-Podcast „100 Songs – Geschichte wird gemacht“ ******
Seit ich in Pension bin, höre ich öfter als früher Podcasts. Mit großem Interesse etwa die mittlerweile auf 44 Folgen angewachsene Ö1-Reihe „100 Songs – Geschichte wird gemacht“. Stefan Niederwieser und Co-Host Robert Stadlober beleuchten dabei meist bestens, manchmal auch wenig bekannte Beispiele der populären Musik und stellen sie kulturhistorisch spannend in den Zeitkontext ihrer Entstehung. Heute erfuhr ich über „My Sweet Lord“ von George Harrison Hintergründe, die auch ich als ausgewiesener Beatles-Fan noch nicht wusste – z.B. dass dieser Mantra-Popsong, auf den ich 1970 als Elfjähriger voll abfuhr, bis heute der meistgestreamte aller „Beatles“-Songs nach deren Trennung ist, noch vor Lennons „Imagine“.
Und zwei weitere, knapp 20 Minuten lange Folgen der „100 Songs“ hörte ich mir an: Mit „Surfin‘ USA“ der Beach Boys reiste ich zurück ins unbeschwerte California der Sixties, „Oblivion“ der Techno-Feministin Grimes eröffnete mir die beachtenswerte kanadische Musikszene der Gegenwart. Schon früher staunte ich über das, was die beiden Ö-Einser über so verschiedene Lieder wie „Lili Marlen“, Shakiras „Waka Waka“ oder Moricones „The Good The Bad and The Ugly“ zu berichten wussten. Und immer lassen sie auch internationale Fachleute über die Songs zu Wort kommen.
Es ist ein bisschen wie die Pop-Version des Kult-Podcasts „Geschichten aus der Geschichte“ (GAG) der beiden Historiker Richard Hemmer und Daniel Meßner. Die halten allerdings schon bei Folge 498, und ich finde, es muss durchaus nicht bei 100 Songs bleiben…
22.3.25 Tocotronic, Konzerthaus ***
Im Rahmen ihrer „Golden Years“-Tour nach dem Erscheinen ihres jüngsten Tonträgers kam die Hamburger Band auch in den gediegenen Großen Saal des ausverkauften Wiener Konzerthauses (ohne Bestuhlung im Parterre ein ungewohnter Anblick). Das seit 1993 immer noch bestehende Gründungstrio Dirk von Lowtzow (Gesang, Gitarre), Jan Müller (Bass) und Arne Zank (Schlagzeug, Keyboard) [warum zum Kuckuck nennt sich eine Band nach von einer japanischen Spielkonsole??] wurde nach dem Ausscheiden des langjährigen Leadgitarristen Rick McPhail durch Felix Gebhard ergänzt – und er machte seine Sache richtig gut. Tocotronic spielte nach einem Geburtstagsständchen des Publikums – viele darunter mit der Band in Ehren ergraut – für Dirk sichtlich gut gelaunt Klassiker wie Aber hier leben, nein danke, vor allem aber Stücke aus dem neuen, inzwischen 14. Album: Es handelt vom Glück der Reife und von der Angst vor dem Tod, vom Reisen durch die Zeit, Unterwegssein und von der Sehnsucht nach einem Zuhause.

Musikalisch viel Gitarren-Schrummschrumm ohne viel Melodie, dazu Dirks manchmal etwas nervige Krautrock-Stimme. Am schönsten das als Single mit Anja Plaschg (Soap&Skin) als Zweitstimme erschienene und in Wien mit Akustik-Gitarre dargebotene „Ich tauche auf“. Politisch sind Tocotronic seit jeher schwer in Ordnung: Eine ihrer letzten Singles, Denn sie wissen, was sie tun, wendet sich gegen den aufblühenden Faschismus, noch kurz vor der russischen Invasion lautete ein Albumtitel Nie wieder Krieg. Und als sich Felix den Fotzhobel umschnalle, scherzte Dirk, der Gitarrist schnalle sich jetzt seine Zahnspange um, und das sei ein Protest gegen den neoliberalen Selbstoptimierungszwang.
Also durchaus sympathisch und unterhaltsam, der Abend. Warum dann nur *** als Bewertung? Nun, es ist einfach nicht „meine Musik“; mir fehlt, anders als meinem mich einladenden Bruder, die biografische Nähe zu deutschen Indie-Rockbands wie Tocotronic, Blumfeld, Die Sterne oder Fettes Brot. Wenn Musik vom nördlichen Nachbarn, dann lieber Jan Delay oder Peter Fox
Beatles forever
Begann meine „popmusikalische Sozialisation“, als ich in den Sixties Beatles-Songs vorm Einschlafen unter der Bettdecke in Fantasie-Englisch nachsang? Schon als Volksschüler liebte ich die Fab Four. Und das vertiefte sich im Gymnasium, als wir bei Klassenfahrten im Bus das Beatles-Songbook rauf und runter sangen. Meine ersten beiden Schallplatten waren das rote und das blaue Doppelalbum von John, Paul, George und Ringo. Wobei: Da hatte sich meine „Lieblingsära“ der Beatles schon verschoben. Die favourites waren da nicht mehr die ersten Alben bis zu Help, sondern die späteren ab Revolver. Das White Album – ein Genuss! Abbey Road – herrlich! Let it be -was für ein Abgesang!
Ich erinnere mich noch, wie schockiert ich über die Trennung der Beatles 1970 war, fast so wie 1980, als der erste von ihnen, John Lennon, starb, ermordet wurde. Dann starb George an Krebs, unterschätzt als Komponist, aber mir etwas zu indophil. My Sweet Lord liebte ich aber. Und Ringo? Ursympathisch, ein Typ, mit dem man gerne auf ein Pint im Pub ginge. Seine Drums bei Come together großartig.
An Love me do oder I want to hold your Hand könnte ich mich wohl satthören. Aber nicht so bei Blackbird, Yesterday, Hey Jude oder All you Need is love, aber auch nicht bei Unbekannterem wie Because, Golden Slumbers oder Happiness is a warm gun. Und spätere Werke wie Imagine, Dream #9, Band on the run oder Venus and Mars zementieren meinen pophistorischen Standpunkt ein. Beatles forever!