
Südtirol – das klingt nach großartigen Berglandschaften mit vielen Wandermöglichkeiten und einer Küche, die Tiroler Bodenständigkeit mit italienischer Finesse verbindet. Und wir wurden nicht enttäuscht: Das familiengeführte Hotel Grien hoch über St. Ulrich, dem Hauptort des Grödnertals, bietet Luxus zu einem fairen Preis. Wobei: Wir nutzten einen vor drei Jahren erworbenen Gutschein, der unseren HP-Aufenthalt mehr als preiswert machte. Die Wirtsleute Rainer und Monika Avesani legen bei den reichhaltigen Mahlzeiten, im (von uns wegen der Hitze ungenutzten) Wellnessbereich und bei der Zimmer- und Gartengestaltung Wert auf Qualität. Von unserem Hotelzimmer aus ein grandioser Blick auf den wie eine Bischofsmütze hoch aufragenden Langkofel und dahinter die Weltcup-Abfahrtsstrecke von der Saslong. Der Hotelbus mit dem supernetten nordmazedonischen Fahrer Hasim brachte uns in den Ortskern, zu den Bergbahnen auf die Seceda und auf die Seiser Alm.

Aber der Reihe nach. Am Samstagfrüh Aufbruch, ca. siebenstündige Fahrt via Salzburg, Innsbruck, Brenner nach Sterzing, wo wir in der Neu- bzw. Altstadt, wie die zentrale, durch den alten Stadtturm getrennte Fußgängerzone heißt, eine Kaffee- und Einkaufsrast machten. Das Wetter so, wie es den Rest der Woche bleiben sollte: sommerlich warm und auch auf Höhe der 5.000-Einwohner-Marktgemeinde St. Ulrich mehrmals über 30 Grad heiß.
Seceda und Seiser Alm – HÖHEpunkte des Urlaubs
Unsere erste Unternehmung führte mit der Seceda-Bahn auf 2500 Meter Seehöhe und an Plätze, von denen man rundum die Bergwelt der Dolomiten bewundern kann. Unsere Gastgeberin Monika hatte gemeint, es gebe dort eine knieschonende Rundwanderung zur Seilbahn, die dann wieder hinunter nach St. Christina führt. Nun ja, schonend vielleicht für sie, vor allem für die etwas kniemarode Claudia war es eine ziemliche Challenge, der Kreuzbandeinriss vom Vorjahr und die Knorpelabnützung machten sich in den nächsten Tagen bemerkbar. Und auch ich hatte nach dem überwiegend Bergabgehen leichten Muskelkater – Joggen in der Ebene ist halt eine sehr andere Belastung. Doch die Ausblicke entschädigten für alle folgenden Wehwehchen. Dazu blühender Enzian, spektakuläre Felsformationen, schwebende Paraglider, köstliche Käseknödel mit Krautsalat auf der Troieralm u.a.m. Kein Wunder, dass sich zig Tourist:innen all das nicht entgehen lassen. Überrepräsentiert solche aus Ostasien, die gefühlt jeden Grashalm fotografieren (sofern sie mit dem Posíeren in Brautkleidung fertig sind).





Wir schafften laut Handyzähler 19.000 Schritte in etwa drei Stunden reiner Gehzeit. Die letzte Etappe führte von der Talstation in St. Christina zum Bus, der uns zurück nach St. Ulrich brachte – vorbei am Hotel von Isolde Kostner, die wie Luis Trenker und Giorgio Moroder ein Spross des Grödnertals ist.
Dazu eine Kuriosität: mehr als 270 Einwohner:innen St. Ulrichs heißen Moroder, je mehr als 200 Demetz oder Kostner. Dem Bergsteiger und Filmemacher Luis Trenker ist in seiner Heimatstadt aktuell eine Ausstellung gewidmet, eine weitere zeigt kunstvolle Holzschnitzereien aus dem Grödnertal, viele davon mit sakralen Motiven.
Am Montag war Erholung und Schonung nach der Vortagsbergtour angesagt. Claudia und ich spazierten durch St. Ulrich, wie fast immer hieß es „due cappuccini per favore“ (wobei hier auch fast alle Deutsch sprechen). Angesichts der Mühe, die Claudia mit dem Stiegensteigen hatte, empfahl sich auch am Dienstag der Verzicht auf eine Bergwanderung – wir besuchten, wie schon vor drei Jahren anlässlich meiner Südtirol-Drautal-Radtour – Bozen. Bei wieder großer Hitze flanierten wir durch die hübsche Innenstadt. Claudia erwarb ein fesches Ensemble mit Hose, Sakko und Leibchen, dazu eine Weste. Süditalienische Atmosphäre genossen wir in der Osteria Dai Carretai (Empfehlung!). In der reichhaltig bestückten Gärtnerei Schullian kauften wir Balkonpflanzen und Zitronenbäumchen. Bei einem weiteren Stopp im Eurospar von Bozen wurden wieder mal Unterschiede bei der Kauflust von Claudia und mir offensichtlich, Mitbringsel gibt’s jedenfalls genug 😉. Nicht dabei: Dessous, obwohl ein entsprechender Laden augenzwinkernd mit „Heute frische Unterhosen“ warb.



Am Abend gab’s im Hotel Grein noch Aufregung: lauttönendes Tatütata wegen eines Brandes einer Landwirtschaft in Wolkenstein, für dessen Eindämmung alle örtlichen Feuerwehrkräfte ausrücken mussten. Das Internet verriet. Nur Sach-, kein Personenschaden.
Claudias Knie erholten sich. Der letzte volle Tag im Grödnertal erlaubte einen Ausflug auf die Seiser Alm (die wir bereits vor drei Jahren kennengelernt hatten). Die größte Hochalm Europas bietet Wanderwege ohne Ende vor der Kulisse von Rosengarten, Schlern, Langkofelgruppe u.a. Nach der ersten Teilstrecke ab der Seilbahn-Bergstation blieb Claudia samt Wanderstöcken auf einem Liegestuhl der Sanonhütte, ich machte zwei Stunden weiter eine Tour runter zum Hotel Saltria. Die Wege sind allesamt gepflegt, eigene gibt’s für die zahlreichen Radler:innen. Als ich einem unberechtigt fahrenden Mountainbiker „You must not go here!“ zurief, antwortete der Jugendliche ungerührt. „I wohn do!“.
Claudia und ich trafen uns wieder bei der Bergstation, ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als 19.000 Schritte auf dem Zähler – und war happy über den schönen Tag.

Rückfahrt mit Übernachtung in Kärnten
Am Donnerstag nach dem schon gewohnt üppigen Frühstück Aufbruch in die Berge, um auf der Heimfahrt via Kärnten noch im nächstjährigen Olympiaort Cortina d’Ampezzo vorbeizuschauen. Distanz von St. Ulrich. 77 km über drei spektakuläre Dolomitenpässe: Sellajoch, Pordoijoch und Falzarego-Pass. Wir halten mehrmals, um zu staunen – auch über die vielen Radfahrer:innen, die die Mühen des Höhenmeter-Sammelns nicht scheuen.
Cortina ließen wir dann aber nach einer Innenstadtumrundung links liegen. Zu viele Baustellen, kaum Parkflächen und jetzt schon überlaufen. Stattdessen Halt an einem heruntergekommenen Gasthaus in Landro, einem Nobelziel der K.u.K.-Zeit mit Blick auf die Drei Zinnen.


Dann wieder Österreich, nach dem Puster- das Drautal. Kurzer Stopp bei der schönen Kirche im Örtchen Berg, wo ich auf meiner Drautal-Radtour schon mal übernachtete. Die brütende Hitze ließ uns das Übernachtungsquartier anpeilen – in Gmünd, halb so groß wie St. Ulrich, aber eine Stadt. Und zwar eine, die auf ihr Kulturleben zurecht stolz ist: viele Galerien, David-Hockney-Ausstellung und eine Vernissage, bei der wir kurz reinschauten. Davor aber noch eine echte Entdeckung: Der Berggasthof „Da Graf“ (www.dagraf.at) hoch über dem Maltatal mit Blick in die Nockberge und die Hohen Tauern ist einen Abstecher wert, wenn man in der Gegend is(s)t. Claudia genoss einen bunten Blattsalat mit Früchten, ich eine sensationelle Hirschlasagne.

Am Freitag, dem letzten Urlaubstag (in Ostösterreich letzter Schultag und erster Trainingstag für den Österreich-Formel1-GP in Spielberg). Heimfahrt über St. Michael im Lungau, das Murtal – an tausenden parkenden Formel1-Fans vorbei – und den Semmering. Brütende Hitze in Wien, aber: Die Zimmer- und Balkonpflanzen haben überlebt und: It‘s good to be home again.