„Köln 75“ (Ido Fluk, D/Pl/B 2024) *****

Nach dem Kino gleich mal im Internet über Keith Jarrett, sein legendäres Köln Concert, über Organisatorin Vera Brandes recherchieren und auf Spotify die lange nicht mehr gehörten Klaviertöne des Tastenmeisters anhören… nicht das schlechteste Zeugnis für einen Film, oder? Dazu regte der in New York lebende Ido Fluk mit seinem an historische Ereignisse anknüpfendem Spielfilm mit Doku-Einsprengseln an.
Es geht darin um zweierlei Improvisationen: einerseits um Keith Jarretts Solokonzerte mit davor und danach nie gehörter Klaviermusik, geboren im Augenblick der Darbietung im Konzertsaal. Höhepunkt dabei: Das Konzert in Köln vor 50 Jahren, das zur immer noch meistverkauften Jazzsoloplatte führte, die auch ich irgendwann in meiner musikaffinen Studenten-WG in Graz kennenlernte. Und andererseits die unfassbaren Umstände, unter denen die damals 18-jährige (!) Vera Brandes diesen legendären Auftritt ermöglichte. Sie buchte für 10.000 D-Mark, die sie zunächst nicht hatte, die Kölner Oper an einem Jännertag um 23 Uhr für das Konzert eines damals nicht gerade in Topform befindlichen (Rückenprobleme, Schlafmangel, Finanznot) Genies, der am Schauplatz ein schadhaftes Instrument vorfand und meinte: „Darauf spiele ich nicht!“ Wie Brandes mit diesen und anderen Hindernissen fertig wurde, ist ebenfalls Improvisation auf höchstem Niveau.
Der Film atmet auf höchst unterhaltsame Weise den Geist der 70er mit Women’s Lib, Jazz, freier Liebe, Rebellion gegen enge Bürgerlichkeit als Begleitmusik. Und es bringt einen Musiker näher, dessen Hingabe an die Eingebung des Moments zwar durch Huster im Publikum leicht störbar ist, dabei aber Töne wie ein impressionistisches Meisterwerk von Monet hervorbringt und sich die Seele aus dem Leib spielt. Ob er denn nicht manchmal Angst habe, dass der Musenkuss bei einem Auftritt ausbleiben könnte, wird er im Film gefragt. Jarretts Antwort: „Jeden Abend.“

Ein Gedanke zu „„Köln 75“ (Ido Fluk, D/Pl/B 2024) *****

  1. Klingt total spannend, will ich unbedingt sehen… und hören!! Das Köln Konzert gehört noch immer zu den highlights der Jazzmusik in unserer family 😀

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