Adventmail 2024/22 (Farben)

Sich zu schminken ist eine jahrtausendealte Praxis, die in fast allen Kulturen der Menschheit zu finden ist. Die Gründe für das Schminken, seine Bedeutung und die verwendeten Materialien haben sich dabei im Laufe der Geschichte stark gewandelt. In Europa reicht die Geschichte des Schminkens von antiken Ritualen bis hin zur modernen Kosmetikindustrie. Ob als Ausdruck von Zugehörigkeit, als Mittel zur Repräsentation oder als Verdeutlichen der eigenen Persönlichkeit – das Schminken hat sich über die Jahrhunderte immer wieder gewandelt. In der modernen Gesellschaft ist es nicht nur ein kosmetischer Akt, sondern auch ein Mittel der Selbsterkenntnis und -verwirklichung, das in seiner Vielfalt für die individuelle Freiheit steht.
Ich selbst hatte eine etwas hippieeske Zeit während meines Studiums, in der ich nicht nur von Muttern gestrickte Legwarmer und ein aus dem Lockenkopf hinten herabhängendes Zöpfchen trug. Ab und an verwendete ich einen Kajalstift, um meinen Augen mehr Kontur zu geben. Ich fand mich attraktiver damit.
Und das ist auch der Grund für Schminken generell. Schon im Alten Ägypten wurden Kosmetika zur Betonung von Augen, Lippen und Haut eingesetzt. Im antiken Hellas galt starkes Make-up als sittenlos, während die Römerinnen es als Zeichen des Wohlstands betrachteten. Sie verwendeten Bleiweiß als Grundierung für eine blasse Haut, die als vornehm galt, und färbten die Lippen und Wangen rot. Ersteres war gesundheitsschädlich, aber was soll’s, wenn man/frau schöner sein möchte?
Nach dem Mittelalter, in dem Schminken oft als Sünde betrachtet wurde, erlebte die Kosmetik in Renaissance und Barock einen enormen Aufschwung. In den höfischen Kreisen Italiens und später in Frankreich wurde es zunehmend Mode, das Gesicht zu pudern und die Lippen und Wangen rot zu färben. Eine blasse Haut war das Ideal – und das blieb jedenfalls für Frauen bis ins 20. Jht. so, als das Reisen in sonnige Länder zum Statussymbol wurde. Am Hof des Sonnenkönigs Ludwig XIV. trugen Männer und Frauen Puder, Rouge und künstliche Schönheitsflecken (sogenannte „Mouches“), die je nach Position und Form Flirtsignale aussendeten.
Im 19. Jahrhundert setzte sich zunehmend der Trend zur „natürlichen Schönheit“ durch. Kosmetika wurden zwar noch verwendet, jedoch eher dezent und nur in bestimmten gesellschaftlichen Kreisen. In England und Frankreich wurde der Begriff „Schönheitspflege“ allmählich als etwas Normales und Akzeptables angesehen.
Mit Beginn des 20. Jahrhunderts veränderte sich das Schminken in Europa radikal. Durch den Einfluss von Film und Werbung wurde Kosmetik zu einem Massenprodukt. Die Kosmetikindustrie entwickelte sich in rasantem Tempo und Marken wie Maybelline und L’Oréal wurden populär. Freilich blieb das Schminken Spiegelbild der raschen gesellschaftlichen Veränderungen. In den 1950er Jahren herrschte das Ideal der gepflegten Hausfrau vor, in den 1970er Jahren wurde das Outfit schriller, zugleich gab es feministisch inspirierte Kritik an der Erwartung, Frauen hätten den Männern zu gefallen. Heute ist die Kosmetikkultur diversifiziert und individualisiert wie nie zuvor. Social Media und Influencer tragen das ihre dazu bei, dass Außenwirkung wieder enorm wichtig geworden ist.

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