Einmal im dunkelblauen Anzug (den ich kurz davor auch zur Sponsion trug), das zweite Mal in schmucker Tracht (die sonst kaum je verwende) – das war mein Outfit der beiden Hochzeiten 1986 und 2018, bei denen ich als Bräutigam eine Hauptrolle innehatte. Die Braut trug im ersten Fall ein elegantes dunkelgrünes Kleid, im zweiten Fall ein hübsches Dirndl.
Die Tradition, dass Bräute in Europa ganz in Weiß heiraten (und dieses Kleid dann auch nur einmal tragen), hat sich erst ab dem 19. Jahrhundert durchgesetzt. Einen Anstoß dazu gab Queen Victoria von England, die im Februar 1840 ihren Cousin Albert von Sachsen-Coburg und Gotha ehelichte. Die damals 20-Jährige, sie war bereits seit zweieinhalb Jahren auf dem Thron, trug dabei ein weißes Seidenkleid und wurde zum Role Model für viele Frauen der besseren Gesellschaft. Zuvor war Weiß keine besonders weit verbreitete Farbe für Hochzeitskleider, da es als unpraktisch galt und es lange Zeit den Brauch gab, dass Witwen nach dem Tod ihres Mannes keine schwarze, sondern weiße Kleidung trugen.
Vor der Verbreitung des weißen Brautkleids trugen Frauen in Europa bei ihrer Hochzeit oft ihre beste oder festlichste Kleidung, unabhängig von der Farbe. Diese Kleider waren in vielen Fällen in dunklen, kräftigen Farben wie Blau, Rot, Grün oder sogar Schwarz gehalten, da diese Töne langlebiger und praktischer waren. Für viele Frauen war das Hochzeitskleid ein Kleidungsstück, das sie nach der Hochzeit weiter trugen, sodass es nicht unbedingt spezifisch für die Hochzeit gestaltet wurde.
Das weiße Hochzeitskleid ist in Europa somit ein relativ junges Phänomen und erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts als Symbol für Reinheit, Unschuld und Neuheit gängig. Diese Symbolik tritt wohl etwas in den Hintergrund – nicht nur bei feministisch gesinnten Paaren wie in meinen Fällen. Wer jedoch „Wien weißes Hochzeitskleid kaufen“ googelt, merkt schnell, dass längst nicht alle so gestrickt sind.