Ich und die Päpste

Als ich geboren wurde, war der sympathische Konzilspapst Johannes XXIII.: („Giovanni, nimm dich nicht so wichtig“) seit knapp einem Jahr im Amt.
Von Paul VI. bekam ich erst nach seinem Tod etwas mit, als ich Anfang 1980 mit dem Theologiestudium in Graz begonnen hatte. Seine Lehrentscheidung in Bezug auf Empfängnisverhütung („Humanae vitae“, 1968) hat sein Pontifikat mehr überschattet als er es für seine entwicklungspolitischen Aussagen („Populorum progressio“, 1967) verdient hätte.
Im Dreipäpstejahr 1979 war Johannes Paul I. leider nur 33 Tage im Amt. 1980 war meine anfängliche Sympathie für den polnischen Papst Johannes Paul II. für seine KP-kritische Haltung in Solidarnosc-Zeiten schnell geschwunden, als er dem Schweizer Theologen Hans Küng („Unfehlbar?“, 1970) einen Maulkorb umhing. Und erst recht, als unter seiner Verantwortung in Österreich eine Reihe ungeeigneter Bischöfe (Eder in Salzburg, Krenn in Wien und dann St. Pölten, Groer in Wien, Laun in Salzburg) ernannt wurden und die offene Linie unter Kardinal Franz König konterkariert wurde. Und. Der Wojtyla-Papst blieb viel zu lange im Amt – nämlich 26 Jahre, die letzten davon schon gesundheitlich schwer angeschlagen.
Als sein oberster Glaubenshüter Kardinal Ratzinger als Benedikt XVI. Papst wurde, war ich – offen gesagt – entsetzt. Ich hatte den Bayern als theologischen Riegelvorschieber etwa gegen die Theologie der Befreiung erlebt, die ich im Studium schätzen gelernt hatte. Und die Jammerei auf hohem intellektuellem Niveau gegen den Relativismus weckte dann in mir auch keine Begeisterung: Für Jesus nimmt man nicht ein, indem man vor den Folgen der Gottlosigkeit warnt.
Ich Kathpress-Redakteur saß mit dem Grazer Bischof Kapellari vor dem Fernsehgerät, als mit Franziskus der erste Jesuit und Lateinamerikaner auf den Stuhl Petri gewählt wurde. Seit seinem „Buona Sera“ vom Balkon des Apostolischen Palastes mochte ich den bescheidenen Bergoglio immer sehr. Sein Engagement für eine Kirche der Armen, für Umweltschutz und eine „Wirtschaft, die nicht tötet“ schätzte ich sehr, fand ihn auch persönlich liebenswürdig. Was mich über Befremdliches wie seine Aussagen über den Teufel oder manch machohafter Ausrutscher hinwegsehen ließ. Als Franziskus am Ostermontag 2025 starb, war ich ehrlich traurig.
Und dann sehr überrascht, dass mit Leo XIV. ein US-Amerikaner schon nach vier Wahlgängen nachfolgte. Die Nachricht vom weißen Rauch aus der Sixtinischen Kapelle erreichte mich bei der Abfahrt in eine Tiefgarage in Zagreb, der letzten Station einer Westbalkantour gemeinsam mit meiner Claudia. Via Internet dann Freude über die erste Botschaft des bisherigen Kardinals Prevost „Der Friede sei mit euch!“ in einer Zeit großen Unfriedens und blutiger Konflikte. Leo ist polyglott, hat EZA- und Kurienerfahrung, wird wohl ein Brückenbauer sein, ohne (auch von mir) ersehnte Kirchenreformen wie Frauenweihe voranzutreiben. Aber vielleicht ist es heute ja seliger, Frieden zu stiften, als die Kirche moderner zu machen. Ich gestehe Leo einen Vertrauensvorschuss zu, seine bisherige Performance war ganz ok.
Und richtig gut, ja berührend, finde ich die vor der Amtseinführung als Leo XIV. am heutigen 18. Mai bekannt gewordene Einladung von Prevost „an die Zweifelnden und Gebrochenen“. Dort heißt es:
„Brüder, Schwestern…
Ich spreche zu euch, besonders zu denen, die nicht mehr glauben, nicht mehr hoffen, nicht mehr beten, weil sie denken, dass Gott sie verlassen hat.
An die, die es satt haben, von Skandalen, von missbrauchter Macht, von der Stille einer Kirche, die manchmal mehr wie ein Palast als ein Zuhause scheint, geplagt zu werden.
Ich war auch wütend auf Gott.
Ich habe auch gute Menschen sterben sehen, Kinder leiden sehen, Großeltern ohne Medizin weinen sehen.
Und ja… es gab Tage, an denen ich betete und nur ein Echo spürte.
Aber dann entdeckte ich etwas:
Gott schreit nicht. Gott flüstert.
Und manchmal flüstert er aus dem Schlamm, aus dem Schmerz, aus einer Großmutter, die dich ohne etwas zu haben, nährt.
Ich komme nicht, um euch einen perfekten Glauben anzubieten.
Ich komme, um euch zu sagen, dass der Glaube ein Gang ist mit Steinen, Pfützen und unerwarteten Umarmungen.
Ich bitte euch nicht, an alles zu glauben.
Ich bitte euch, die Tür nicht zu schließen. Gebt dem Gott, der auf euch wartet ohne Urteil, eine Chance.
Ich bin nur ein Priester, der Gott im Lächeln einer Frau gesehen hat, die ihren Sohn verloren hat… und trotzdem für andere kochte.
Das hat mich verändert.
Also, wenn du gebrochen bist, wenn du nicht glaubst, wenn du müde von den Lügen bist…
komm trotzdem. Mit deinem Zorn, deinem Zweifel, deinem schmutzigen Rucksack.
Niemand hier wird dich nach einer VIP-Karte fragen.
Denn diese Kirche, solange ich atme, wird ein Zuhause für die Obdachlosen und eine Rast für die Müden sein.
Gott braucht keine Soldaten.
Er braucht Brüder.
Und du, ja, du…
bist einer von ihnen.“

Ein Gedanke zu „Ich und die Päpste

  1. Eins noch: Wenig Freude habe ich mit der fast schon Usus gewordenen Praxis von Heilig- und Seligsprechungen der Päpste aus jüngerer Vergangenheit: Johannes XXIII., Paul VI. und Johannes Paul II. wurden zu Heiligen erklärt, Johannes Paul I. ist ein Seliger. Das ist ein bissl so, als würde die Vereinsführung von Real Madrid den Ballon d’Or vorrangig an eigene Kicker verleihen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert